Tabubruch in Bürgerschaft

In der gestrigen Sitzung der Bürgerschaft unterstützten fast alle Mitglieder von CDU, FDP und Bürgern für Stralsund (BfS) den Antrag der AfD-Fraktion „Gendern konsequent unterbinden – Kommunikation in regelkonformer Sprache“ und verschafften diesem Ansinnen somit eine Mehrheit (21 Ja-Stimmen, davon 18 Männer, drei Frauen). Gegen den Antrag votierten die Fraktionen Die Linke./SPD, Bündnis 90/Die Grünen/Die Partei und die beiden weiblichen Mitglieder der CDU-Fraktion (17 Stimmen, 9 Frauen, 8 Männer). Ein weibliches Mitglied der Fraktion Bürger für Stralsund nahm an der Abstimmung nicht teil. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Stralsunder Bürgerschaft, dass zwei demokratische Fraktionen einen Antrag der AfD-Fraktion unterstützten. Dazu erklärt der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen/Die Partei, Jürgen Suhr:

Gleichstellung lediglich Etikette

„Mit diesem Votum wird einmal mehr deutlich, dass für die beiden Fraktionen CDU/FDP und Bürger für Stralsund Gleichstellung lediglich eine Etikette ist. Am Thema Gleichstellung sind die fast ausschließlich männlichen Bürgerschaftsmitglieder dieser beiden Fraktionen offensichtlich nicht wirklich interessiert. Unsere Fraktion hat aber zu dem jetzt mit AfD-, BfS- und CDU/FDP-Stimmen gefassten Mehrheitsbeschluss auch rechtliche Bedenken. Wir werden das daher prüfen und ggf. die Kommunalaufsicht anrufen.

Aber es ist gestern Abend vor allem auch klargeworden, dass die Fraktionen Bürger für Stralsund und CDU/FDP offensichtlich bereit sind, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Für die BfS überrascht dies nach meiner Einschätzung nicht. Sie meiden schon seit Monaten die klare Abgrenzung nach rechts und eine klare Ablehnung des Rechtsextremismus und des Rechtspopulismus. Das ist nicht erst seit den Demonstrationen gegen die Bundesregierung, die sie Ende des letzten Jahres wiederholt in Stralsund initiiert haben, mehr als deutlich geworden.

Demokratische Mitte zum Schein

Gerne halten sie immer wieder das Schild der demokratischen Mitte hoch und reklamieren diese Position für sich. Gleichzeitig, und das ist gestern Abend wieder einmal deutlich geworden, sympathisieren sie mit der AfD und deren Positionen. Dass sie damit im Bunde mit Leuten sind, die demokratische Strukturen ablehnen und rechtsextremen und rechtspopulistischen Positionen das Wort reden, stört sie offensichtlich nicht.

Keine Abgrenzung nach rechts

Die CDU- und FDP-Abgeordneten haben jedoch gestern Abend in der Stralsunder Bürgerschaft einen Tabubruch begangen. Offensichtlich teilen alle FDP-Bürgerschaftsmitglieder und der große Teil der CDU-Bürgerschaftsmitglieder nicht die Auffassung, dass die AfD eine Partei ist, zu der es hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen gibt und die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft ist. Offensichtlich ignorieren alle FDP-Bürgerschaftsmitglieder und der große Teil der CDU-Bürgerschaftsmitglieder, dass die AfD Faschisten in ihren Reihen hat, sich nicht klar von diesen abgrenzt und dass zahlreiche AfD-Mitglieder für die Demokratie vor allem Verachtung übrighaben.

Für die AfD war es ein Triumph, weil sie mit diesem unterstützenden Verhalten der konservativen Fraktionen eine Legitimation erhält, die eine Akzeptanz ihrer Haltung und ihres antidemokratischen Selbstverständnisses mindestens erleichtert. Ich bedaure das sehr und ich fordere CDU und FDP dazu auf, zum Konsens der demokratischen Fraktionen gegen die verfassungsfeindliche AfD zurückzukehren.“